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11.03.13 –
Wir GRÜNE teilen die Sorgen vieler Expertinnen und Experten und Kinderpolitiker, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Kinderförderungsgesetz zu Verschlechterungen in der Kinderbetreuung in Hessen führen wird. Wir GRÜNE teilen Ihre Sorge. Unsere Position möchte ich gerne im Nachfolgenden kurz darstellen.
In Hessen ist die Betreuungssituation aus unserer Sicht in weiten Bereichen absolut unzureichend. Mit Datum Ende letzten Jahres fehlen in Hessen über
9.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren und auch für Grundschulkinder fehlen mehrere tausend Betreuungsplätze an Grundschulen oder in Horten. Für diese Missstände trägt allein die CDU/FDP Landesregierung die Verantwortung, weil sie die realen Bedarfe von Eltern und Kindern für eine gute Betreuung schlicht ignoriert, zu spät gehandelt oder unzureichend finanziert hat. Besonders dramatisch und realitätsfern ist aus unserer Sicht, dass in dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf das Thema Sicherstellung der Betreuung für Grundschulkinder vollständig ignoriert wird.
Zur Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag und einer qualitativ guten Betreuung fehlen in Hessen aktuell insgesamt über 3.000 Erzieherinnen und Erzieher. Der Fachkräftemangel war seit Jahren absehbar, doch anstatt zusätzliche Ausbildungsprogramme aufzulegen, ist in dem Gesetzentwurf der Landesregierung nunmehr vorgesehen, den Fachkraftkatalog auch für nicht pädagogische Berufsgruppen zu öffnen. „Dadurch soll einem Erziehermangel entgegengewirkt werden.“ (Zitat aus CDU-Presseerklärung vom 11.12.2012) Damit wird nicht nur dem Ansehen des Erzieherberufs geschadet, sondern insgesamt der Bedeutung der frühkindlichen Bildung.
Die fehlende Antwort auf den Mangel in der Grundschulkinderbetreuung sowie die Zulassung fachfremder Personen wären schon Anlass genug, dem Gesetz sehr kritisch gegenüberzustehen. Aus unserer Sicht sind jedoch noch weitere Kritikpunkte anzumerken, da sie zu einer Absenkung der Qualitätsstandards führen können.
Da ist zunächst die Pauschalierung der Betreuungszeiten zu benennen. Durch die Finanzierungssystematik - bei mehr als 35 Stunden beträgt der Betreuungsmittelwert 42,5 Wochenstunden - werden viele Kitas, um den vollen Betrag auszuschöpfen, um 16.00 Uhr schließen (müssen). Durch diese Pauschalierung wird also nicht dem realen Betreuungsbedarf von erwerbstägigen Eltern Rechnung getragen, sondern darauf gesetzt, dass Mütter Teilzeit erwerbstätig sind. Das ist Zeichen einer rückwärtsgewandten Familienpolitik, die die realen Lebensbedingungen vieler Familien und den Wunsch nach guter Kinderbetreuung und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ignoriert.
Noch folgenschwerer können die Auswirkungen der neuen Bestimmungen für die Gruppengrößen werden: um den vollen pauschalierten Förderbetrag für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren zu erhalten, ist der Träger gezwungen, die Gruppengröße von 10 auf 15 oder 16 Kinder anzuheben. Während wir bereit sind, über eine „flexible“ Gruppengröße bei Grundschulindern zu reden, halten wir die zu erwartende Gruppenanhebung auf 15 bei Kindern unter drei Jahren für unverantwortlich. Insbesondere unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Bindungsforschung, dass nämlich kleine Kinder für eine gute Betreuungssituation eine feste Bindung und feste Bezugspunkte brauchen, lehnen wir die geplante Neuregelung ab.
Als dritten großen Kritikpunkt ist aus unserer Sicht die im Gesetz geplante Umstellung der Finanzierung von einer Gruppenfinanzierung hin zu einer auf das betreute Kind bezogene Pauschalierung. Wobei für uns die Frage der Pauschalierung keine Grundsatzfrage ist – so gibt es bereits in Frankfurt die so genannte betreute Platzpauschale, die sich seit Jahren bewährt hat und damals gemeinsam mit den Trägern und Verbänden erarbeitet wurde – , sondern sich die Kritik an die Ausgestaltung der geplanten Pauschale im Kinderförderungsgesetz richtet.
Mit der platzbezogenen Pauschale wird es zudem eine Veränderung der Finanzströme hin zu den großen Städten und Ballungsräumen geben, schlicht und einfach, weil dort mehr Kinder leben. Im ländlichen Raum wird hingegen das Problem entstehen, dass die Finanzierung der Kitas problema-tisch wird, weil die Gruppen nicht voll ausgelastet sein können. Auch wenn es sicherlich gerecht ist, dass in den großen Kommunen die Gruppen angemessen finanziert werden, kann es nicht sein, dass durch eine neue Finanzierungssystematik im ländlichen Raum soziale Infrastruktur zerstört wird. Deswegen brauchen wir ein Konzept, wie ein gutes frühkindliches Bildungs- und Betreuungsangebot auch im ländlichen Raum aufrechterhalten werden kann; ausreichende Antworten gibt der Gesetzentwurf jedenfalls nicht.
Doch besonders dramatisch finden wir die fehlende Verankerung der Behinderten-rechtskonvention und die daraus resultierenden Anforderungen und Ansprüche an die inklusive frühkindliche Bildung und Betreuung von behinderten Kindern in dem vorliegenden Gesetzentwurf. In diesem Punkt muss erheblich nachgebessert werden. Wir werden uns vehement dafür einsetzen, dass es bei der Inklusion von behinderten Kindern in Kindertagesstätten keinen Rückschritt gibt und entsprechende Bestimmungen in das Gesetz aufgenommen werden.
Zum Schluss möchte ich anmerken, dass der Gesetzentwurf aus unserer Sicht mehr einer betriebswirtschaftlichen Logik folgt und einzelne bestehende Fördertatbestände unter dem Aspekt der Pauschalierung zusammenfasst. Dadurch und durch die Kombination verschiedener Faktoren befürchten wir eine Senkung der Qualitätsstandards. Gänzlich fehlt ein Grundkonzept, wie die Kinderbetreuung in Hessen neu aufgestellt und den Anforderungen an eine gute und verlässliche Kindertagesbetreuung zukünftig entsprechen kann und muss.
Alle hessischen Kinder sollen die gleichen Chancen auf frühkindliche Bildungsangebote erhalten. Das jedenfalls ist und bleibt unser Anliegen.
Den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung werden wir ablehnen und uns in den anstehenden Beratungen entsprechend positionieren.
Monne Lentz, MdL
Sprecherin für Jugend, Drogen,
Frauen und Gleichstellung
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